Hammledd

Lilo Häfner Verlag

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Hammledd

Hammledd

Hammledd, die saarländische Version des Shakespeares Dramas, reduziert auf die sechs wichtigsten Personen, die sich – analog zum Original – mit höchst einfallsreichen und raffinierten Methoden gegenseitig umbringen, abgesehen von Sophie, die sich ertränkt. Und des alten Hammledd Geist fehlt natürlich auch nicht.

Vom Saarländischen Staatstheater inszeniert und vom Saarländischen Rundfunk als Hörspiel produziert.

Vorwort

Hamlet auf Platt, Hamlet in einer Saarbrücker Mundart? Warum nicht? Die Mundarten, seit über hundert Jahren immer wieder totgesagt, erleben in unserer Zeit eine ungeahnte Renaissance. Dafür gibt es mehrere Gründe; einer der wichtigsten ist wohl die Bedeutung der regionalen Sprache für die Identität der Menschen, die im Europa der Regionen leben. Die Mundart, bislang meist nur für Büttenreden oder für heimatlich-nostalgische Poesie geduldet, erobert sich ihren Platz als Literatursprache. Es beginnt sich herumzusprechen, dass Mundarten kein literarisches Genre, sonder eigenständige Sprachen sind, in denen man Heiteres und Ernstes, Gemeines und Zartes ausdrücken kann.

Mundartliches hat Axel Herzog bisher vor allem für den Saarländischen Rundfunk geschrieben, darunter eine Reihe von Kriminalhörspielen, sowie eine Serie über den Herausgeber einer saarländischen Wochenzeitung. Auch in seinem „Hammledd“ sprechen alle Personen Mundart; dadurch gewinnt das Stück an Authentizität, denn Herzog hat außer der sprachlichen auch eine soziale und zeitliche Übertragung vorgenommen. Er hat den Schauplatz der Tragödie vom dänischen Königshof in ein saarländisches Bergmannsdorf verlegt, die Personen der Handlung sind statt einer königlichen Familie des 16. Jahrhunderts eine Bergmannsfamilie des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Gerade durch diese dreifache Übertragung wird die Neugier des Lesers/Zuschauers geweckt; er ist gespannt, was Axel Herzog von Shakespeares Hamlet in eine andere Zeit, in ein völlig anderes Milieu, in eine andere Sprache herübergebracht hat.

Der klassischen Tragödie liegt ein Brudermord zugrunde, ein Thema, so alt wie die Menschheit, wenn wir an Kain und Abel denken, ein Thema, das nichts von seiner Aktualität verloren hat, wenn wir die Tageszeitungen lesen. Die Beweggründe des Täters sind damals wie heute Neid, Eifersucht, Besitzgier. Bei Shakespeare wird der dänische König von seinem Bruder vergiftet, der selbst den Thron besteigt und Gertrud, die Witwe, heiratet. Hamlet, der Sohn des Ermordeten, ahnt das Verbrechen und brütet Rache. Aber er ist von Zweifeln geplagt, ein Melancholiker, ein Zauderer, ein Antiheld.

Dieser Kern der Handlung wird von Axel Herzog übernommen. Der Grubensteiger Klaus hat seinen Bruder heimlich vergiftet; er heiratet dessen Witwe Gertrud, seine Schwägerin; der Sohn des Ermordeten – Hammledd, ein junger Bergmann – ahnt das Verbrechen und will den Vater rächen. In Shakespeares Hamlet, der wegen seiner beträchtlichen Überlänge kaum jemals ungekürzt aufgeführt wurde, treten mehr als dreißig Personen auf. Axel Herzog hat die Zahl der Mitspieler auf sechs begrenzt und die Handlung auf das Wesentliche verdichtet. In dem Mundartstück treten nur die Hauptpersonen auf; Szenen, die bei Shakespeare breit ausgespielt werden, hat Herzog gerafft; andere, wie z. B. die Theaterszene und ihre Wirkung auf den Brudermörder, werden in erzählender Form dargestellt. Dabei geht dann leider auch die Szene mit dem Totengräber und dessen tragikomischen Späßen verloren. Doch dafür weist das saarländische Stück an anderen Stellen tragikomische Züge auf, so dass der Gesamteindruck gewährleistet ist.

Ebenso wie der Kern der Handlung sind auch die Charaktere der Personen in dem Mundartstück weitgehend die gleichen wie bei Shakespeare. Auch der saarländische Hammledd simuliert Wahnsinn, kann sich nicht zur Blutrache entschließen; sein Onkel, der Brudermörder zeigt einen Anflug von Reue, der aber bald verfliegt; die Mitschuld von Hammledds Mutter am Mord ihres Gatten bleibt offen; Lothar (Laertes) wandelt sich vom Freund Hammledds zu seinem Feind. Einzig Sofie, die bei Herzog schon von vorneherein als beschränkt dargestellt wird, entspricht nicht ganz der Ophelia.

Auch in der Sprache des Mundartstückes werden allenthalben Parallelen zum klassischen Hamlet sichtbar. Das beginnt bei dem Versmaß, das Axel Herzog dem der deutschen Hamletübertragung von Schlegel/Tieck nachvollzieht.

Viele bekannte Passagen, die im Deutschen zu geflügelten Wörtern wurden, sind auch in dem Mundartstück erkennbar. Hier einige Beispiele: Sein oder Nichtsein – Sinn odder Niddsinn. Oder: Der Rest ist Schweigen – Der Reschd is ohne Ton. Oder: Die Zeit ist aus den Fugen – ….es brennd an alle Egge, das Enn is absesiehn. Auch zu vielen anderen Textstellen des klassischen Hamlets gibt es Parallelen; so redet der sich wahnsinnig gebärdende Hamlet den König einmal als Mutter an mit der Begründung „Vater und Mutter sind Mann und Weib; Mann und Weib sind ein Fleisch: also meine Mutter.“

Herzog lässt Hammledd ähnliche Worte zu seiner Mutter sagen: „Es heischd doch, Mann unn Frau, die wäre ähn Schdigg Fleisch. Dann is der Klaus wahrscheinlich jo mei Mudder, unn du mei Vadder odder Tande.“ In der klassischen Tragödie sagt Hamlet: „Sie (die Schauspieler) sind der Spiegel und die abgekürzte Chronik des Zeitalters“, Dem entsprechen die Worte im Schlussmonolog des Hammledd: „Vielleichd simmir e Beischbiel…. dass unser alder Globus endlich unnergehd…“

Axel Herzog schreibt eine Mundart, die echt klingt. Seine Sätze weisen in Lexik und Syntax die Besonderheiten der Saarbrücker Mundart auf, erkennbar daran, dass nur wenige Textstellen sich Wort für Wort ins Schriftdeutsche übersetzen lassen. Sowohl der Wortschatz als auch die zahlreichen Metaphern, die in Herzogs Stück vorkommen, sind dem sozialen Umfeld entnommen, in dem das Stück spielt, d. h., sie enthalten viele Begriffe aus der Arbeitswelt und dem Leben des Bergmanns. Besonders in den bildhaften Wendungen zeigt sich der schöpferische Umgang Herzogs mit seiner Mundart; es gibt kaum einen Vers, in dem nicht eine oder mehrere davon vorkommen.

Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass Axel Herzogs Hammledd als Buch zahlreiche Leser und als Bühnenstück ein breites Publikum erreichen möge. Sein großes Verdienst besteht nicht zuletzt auch darin, dass durch seinen Hammledd das Interesse an den Werken der klassischen Literatur geweckt wird.

Dr. Edith Braun

Leseprobe

Hammledd: E Drauerschbiel war das, e furschdbar grusslich Sach! In meinem Alder muss ich das noch siehn, wie sich mei Mudder uff-fiehrd wie e doordich Glugg, demm schmierisch Kerl de Hof machd, schnurrd unn gurrd, unn der grunzd wie e feddes Schwein.

Lothar: Das hann ich aach gesiehn. Die hann sich uffgefiehrd wie’s Vieh im Friehling in der frei Nadur.. Um noch emol seriggsekumme uff mei Schweschder… du wähschd, das Sofie machd sich schwär vill Hoffnung, dass das was gebbd, wenn du was werschd.

Hammledd: Mei Schdeierbriefung, die beschdehn ich ganz beschdimmd, unn denne Bladz vun meinem Vadder griehn ich aah, aach wenn mei Onkel im Momend die Schdell besezd. E langes Läwe wird er dord nidd hann, do beißt die Maus kenn Fadem ab.

Lothar: Du werschd dich doch nidd an demm alde Mann vergreife der is nidd Schuld am Dood von deinem Vadder. Unn dass er jezd im Bedd mid deiner Mudder leid, das is so ieblich in der Naachd denoh, de Paschdor hadd se heid gedraud.

Hammledd: Ich war debei. Ich hann das Ungligg selbschd erläbd. Vielleichd kannschd du mir awwer jezd mol sahn, wieso der Klaus schunn lang vorm Dood von meinem Vadder die Trebb bei uns eruff ganz grumm gedräd hadd? Unn do war kenn Paschdor debei.

Presse

„Sinn odder Niddsinn“ heißt jetzt die Frage. Hamlet, Shakespeares grüblerischer Tragödienheld, hat offensichtlich umgeschult: vom Dänenprinzen zum angehenden Saarberg-Steiger. Doch die Probleme, die „Hammledd“ mit seiner saarländischen Bergmannssippe hat, sind dieselben wir damals in Schloß Helsingor: Intrigen, Mord, Totschlag….Axel Herzog hat in seiner Dramenfassung „Hammledd – Die unglaubliche Geschichte einer saarländischen Bergmannsfamilie“ das Shakespeare-Drama konsequent und gekonnt ins Bergbaumilieu unserer Tage übertragen. Hammledd und die seinen schaffe jetzt uff da Grub…..

Saarbrücker Zeitung 29.4.1997

Kabarettistische Buchvorstellung

….Marga und Axel Herzog, beide aus Dudweiler, nehmen die Inszenierung als Duo in Angriff, wechseln um die saarländischen Akteure zu charakterisieren, ganz einfach die Kopfbedeckungen wie Saarberghelm, schwarzer Damenhut und Heinz Becker Mütze, die bundesweit bekannt ist. Klar, ein alter Kabarett-Trick, der gleichwohl immer noch ankommt. Das heißt z. B. so: „Es Marga zieht jezd die Saarknabbekabb ahn unn isch denne Gruwehelm, dann simmir de Lothar unn de Hammledd….misse na eich merke!“ Sie erzählen, rezitieren und spielen – je nachdem.

Zwischenbeifall bleibt nicht aus, der manchmal erst verspätet einsetzt – weil das Gesagte die Zuschauer im Nachhinein fesselt. In Göttelborn wird abgebaut. Nein, keine Kohlen mehr. Vielmehr Personal……

Illtal Rundschau von 8.4.1998

Premiere Saarländisches Staatstheater

….Herzogs Fassung und die Inszenierung haben sowohl als Satire des Bergarbeiter-Milieus wie als Parodie des großen Dramas ihre Qualitäten. Denn das ist urkomisch, wenn die hehren Worte nach Stammtischgeschwätz klingen, oder wenn Shakespeares Königspaar Gertrude und Claudius plötzlich wie die Nachbarn zwei Häuser weiter aussehen. Im Feinrippunterhemd ist Jürgen Kirchhoff (Klaus) da in wahrer Bilderbuch-Proletarier. Und Elfie Elsner macht aus seiner Gattin Gertrud eine herrlich ordinäre Blondine, in denen Bibi Jelonek das Ganze herrlich frech anpackt. Doch die Staatstheater-Schauspielerin, die sich mit dieser Inszenierung auch als Regisseurin empfiehlt, will auch das Tragische. Das wirkt zwar erstmals unentschlossen, letztlich aber glückt der Spagat.

Vor allem, weil Klaus Zwick als Hammledd eine Klasse für sich ist. Ihm nimmt man selbst als robustem Bergmann die quälenden Selbstzweifel, die intellektuelle Reflexion eines Shakespeareschen Hamlet ab. Das allein ist schon eine Theaterkarte wert.

Saarbrücker Zeitung vom 25.1.1999

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